Demografie

Kraftfahrer dringend gesucht

17.05.2013
Kraftfahrer

Lastwagenfahrer sind gefragt. Da ist für die Unternehmen der Abfallwirtschaft nichts Neues. Schon seit mehreren Jahren suchen sie teilweise händeringend nach Fachkräften. Dennoch halten die Unternehmen nicht nach einer Strategie Ausschau, diesem Fachkräftemangel zu begegnen. Aber eine Strategie tut Not. Denn es sieht nicht danach aus, als ob sich dieser Fachkräftemangel bei den Lastwagenfahrern.
Die IHK Region Stuttgart animiert deshalb die Unternehmen, selbst aktiv zu werden und mehr Kraftfahrer auszubilden. Das verdeutlichte ein IHK-Vertreter auch vor Kolleginnen und Kollegen des Landesfachbereichs Ver- und Entsorgung. Wer einen Lastwagenführerschein hat und einen Job sucht, ist derzeit fein raus. Denn Lastwagenfahrer sind gefragt. Wie gefragt, das zeigt eine Analyse des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW): Mehr als zwei von fünf Arbeitgebern in der Bus- und Transportbranche finden nur schwer oder gar keine Fahrer.
Vier von fünf Unternehmen mussten Aufträge ablehnen, weil sie nicht genügend Fahrer hatten. Und noch ein Umstand weist daraufhin, dass Kraftfahrer derzeit gute Karten haben: Die Einkommen bei den Kraftfahrern steigen. Und die Unternehmen versuchen, sich mit zusätzlichen Leistungen interessant für die Bewerber zu machen, die als Fahrer in Frage kommen. So bietet jedes dritte Unternehmen „nicht-monetäre Leistungen“ an – wie Dienstkleidung, fahrerfreundliche Freizeitregelungen oder Weiterbildungen.
Zudem: Immer mehr Unternehmen ordnen einem Fahrer auch wieder ein spezielles Auto zu. Weil die Erfahrung gezeigt hat, dass Kolleginnen und Kollegen andere nur ungern in „ihrem“ Fahrerhaus sehen; weil sie gleichzeitig „ihr“ Fahrerhaus, in dem sie täglich acht Stunden verbringen, mit persönlichen Dingen ausstatten möchten.
Doch wer in dem Fachkräftemangel bei den Fahrern schon die ersten Auswirkungen der demografischen Entwicklung sieht und noch rosigere Zeiten auf all jene zukommen sieht, die einen Lastwagenführerschein haben, der irrt möglicherweise. Denn die Gründe für den Fachkräftemangel bei den Kraftfahrern sehen Experten in einer Reihe von Ursachen.

 
Müllwagen mit Fahrer

Der Führerschein schlägt teuer zu Buche
Die Hauptursache sind die hohen Kosten von 7000 bis 8000 Euro, die für den Lastwagenführerschein auf den Tisch gelegt werden müssen. Schon bisher waren es in der Regel nicht die Beschäftigten, die den Führerschein bezahlten.
Vielmehr machte das Gros der Lastwagenfahrer den LKW-Führerschein bei der Bundeswehr oder als Beschäftigte der Post. Mit dem Ende der Wehrpflicht fällt die Bundeswehr als Hauptausbilder für den Lastwagenfahrer aus.
Hinzu kommt: Die EU hat die Einstiegsvoraussetzungen in den Kraftfahrerberuf neu definiert.  Bisher brauchte ein Fahrer oder eine Fahrerin nur einen Lastwagenführerschein. Künftig sind alle fünf Jahre regelmäßige Weiterbildungen nötig.
Für die Experten steht fest: Kraftfahrer bleibt erstmal ein Beruf mit Seltenheitswert. In den nächsten zwei Jahren werden die Unternehmen freie Stellen noch schlechter besetzen können als bisher schon. Denn viele Unternehmen wollen mehr Fahrer einstellen, aber kaum ein Betrieb will Fahrer abbauen. Unternehmen gehen deshalb wohl schon auf die Suche nach Fahrern in anderen europäischen Ländern. Ein Spediteur aus Heilbronn zum Beispiel sucht gezielt in Südeuropa nach ausgebildeten Kraftfahrern.

Ausbildung wäre eine Lösung
Was aber schlagen die Experten nun vor? Ausbildung, heißt für sie das große Stichwort. Leider haben die Unternehmen diesen Ausweg aus der Misere auf dem Kraftfahrerarbeitsmarkt noch nicht für sich entdeckt. Nur sieben Prozent der Unternehmen setzen laut IHK auf die Ausbildung von Berufskraftfahrern, um ihre freien Stellen zu besetzen. Und das sind vor allem die großen Unternehmen. Die kleinen Unternehmen warten ab. Sie scheinen keinen Zusammenhang zu sehen zwischen dem derzeitigen Kraftfahrermangel und den niedrigen Ausbildungszahlen der vergangenen Jahre.
Aber die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen, reicht für die Experten nicht aus. Denn auch auf dem Ausbildungsmarkt konkurrieren die verschiedenen Berufe um einen Auszubildenden. Deshalb fordert die IHK auch: „Das Image des Berufs muss verbessert werden.“
Der Fahrer und sein Brummi werden für Staus, Lärm und Luftverschmutzung verantwortlich gemacht. Auch an der Rampe steht das Image, das Ansehen des Fahrers oft im Widerspruch zu seiner  erantwortungsvollen Tätigkeit. Denn nicht selten lenkt er Fahrzeuge, die mehrere hunderttausend Euro wert sind.

Eigene Leute weiterbilden
Einen Ausweg aus dem Fachkräftemangel sollten die Unternehmen auch in der Weiterbildung der eigenen Leute sehen. Junge Leute, die heute im Lager arbeiten oder als Sortierer, könnten zu Kraftfahrern ausgebildet werden – was wiederum die Bindung der Beschäftigten an das Unternehmen stärkt.
Doch Ausbildung kostet Geld, höhere Löhne aber auch. Keine Frage: Die Unternehmen werden diese Kosten in die Kalkulationen für die Müllentsorgung einpreisen müssen. Und die Müllentsorger müssen – um attraktiv für Bewerber zu werden – ihre Tourenplanung und ihren Umgang mit den Beschäftigten überdenken. So sollte es Schule machen, dass einige Unternehmen wieder dazu zurückkehren und den Kraftfahrern die Wagen wieder fest zuweisen - was den Wünschen der Kraftfahrer weit mehr entgegenkommt, als wenn ihnen morgens das jeweilige Fahrzeug zugeteilt wird. Es gibt auch bereits Betriebe, in denen die Fahrer darüber mitbestimmen, welches Zubehör ein Wagen mit sich führt. Keine Frage: Es fördert die Unternehmensbindung, wenn Kraftfahrer bei solchen Anschaffungen mitreden dürfen.
Dennoch: Da der Kraftfahrermangel nicht allein Folge des demografischen Wandels ist, könnte sich die Situation auch schnell ändern. Weil zum Beispiel die Unternehmen aufwachen und alles dafür tun, das Image des Berufs zu verbessern. Oder weil sie jede Menge Kolleginnen und Kollegen ausbilden. Oder sich Fachkräfte aus der gesamten EU suchen. Niemand kann sagen, ob die Prognosen der Fachleute in der Folge dann nicht Schnee von gestern sind.
„Wir müssen die Arbeitsbedingungen in der Abfallwirtschaft verbessern“, betont Stefan Hamm, bei ver.di-Baden-Württemberg zuständig für die Abfallwirtschaft. Die Arbeitgeber hätten nichts zu verschenken. Dass die Arbeitsbedingungen – ob es um das Geld, um Urlaub oder um Arbeits- und Gesundheitsschutz geht – verbessert werden, ohne dass die Beschäftigten darauf dringen, ist unwahrscheinlich.
Keine Frage: Wenn die Arbeitgeber Arbeitskräfte brauchen, werden sie auch ungewöhnliche Wege gehen – wie die Suche nach Bewerbern in Süd- oder Osteuropa. Das heißt für die Beschäftigten hier: Fachkräftemangel bedeutet auf Dauer noch längst nicht, dass die Einkommen und die Arbeitsbedingungen steigen.